Strumpfwirkertradition in Auerbach

Die Strumpfwirkertradition in Auerbach reicht bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurück. Die Strumpfwirkerfamilien lebten damals recht kärglich von diesem Handwerk und der Hunger war ihr täglicher Gast. Als etwa um 1857 in der Strumpfwirkerei die ersten Rundstühle eingesetzt wurden, war es für diejenigen besonders schlimm, die noch an sogenannten Daumendrückerstühlen gearbeitet hatten, weil diese "neumodischen" Maschinen 6 mal so viele Schläuche, aus denen Strümpfe geschnitten wurden, lieferten.

 

Bitterste Armut herrschte in diesen oft nicht gerade kleinen Familien. Um die Ärmsten der Familien vor dem Hungertod zu bewahren, teilte die Gemeinde damals, im Jahre 1862, kostenlos Suppe an die betreffenden aus.

Die erste Strumpflängenmaschine, die sogenannte Pagetmaschine, wurde 1871 in dem 1834 gegründeten Unternehmen des Gotthilf Kurth in Betrieb genommen.

Während die erzgebirgische Strumpfwirkerei bis dahin noch die Strümpfe nach London bzw. Paris lieferten, von wo diese entsprechend deklariert in die Welt verschickt wurden, änderte sich dies mit dem Sieg im Deutsch-Französischen Krieg (1870/71).

Der konjunkturelle Aufschwung, durch die Reparationszahlungen begünstigt, änderte die Situation für die Strumpfwirker im Erzgebirge grundlegend. Die handbetriebenen Pagetmaschinen wurden in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts durch mit Dampfmaschinen angetriebene Cottonmaschinen ersetzt, wobei die ersten ihrer Art aus England importiert wurden. Bald baute man diese Maschinen auch in Chemnitz, Oberlungwitz und Einsiedel. Namen wie Hilscher, Schubert & Salzer, Lieberknecht u.a. wurden weltbekannt als Hersteller dieser Cottonmaschinen, die der sächsischen Strumpfindustrie und damit auch Auerbach vor dem ersten Weltkrieg fast eine Monopolstellung einbrachten.

In den folgenden Jahren wurden mehrere Fabrikgebäude in Auerbach gebaut. Eine der letzten Firmen, die vor dem ersten Weltkrieg gebaut wurden, war die Firma ARWA (A. Robert Wieland, Auerbach), die zum Kern der Strumpfindustrie in und um Auerbach wurde und mit diesem Namen auch den Namen Auerbachs in die Welt trug.

In den folgenden Jahren war ein Anwachsen der Produktion zu verzeichnen. Obwohl in der Strumpfindustrie auch ältere Leute und vor allem Frauen beschäftigt wurden, was sich natürlich positiv auf die Lebensverhältnisse auswirkte, reichten die Arbeitskräfte in Auerbach nicht aus, um die vorhandenen Arbeitsplätze zu besetzen. Aus den umliegenden Ortschaften, aus dem oberen Erzgebirge, sogar aus dem Sudetenland eilten Arbeiter herbei, das wiederum war ausschlaggebend, neuen Wohnraum zu schaffen. Neue Wohngebäude, firmeneigene Arbeitersiedlungen und Wohnheime wurden gebaut. Dieser enorme Bevölkerungszuwachs, 1850 zählte Auerbach keine 1000 Einwohner, 75 Jahre später mehr als das dreifache, wirkte sich recht positiv auf die Entwicklung des Dorfes aus. Das Bauerndörfchen hatte sich zum Industriestandort entwickelt.

Sehr schnell erholte sich die Industrie in Auerbach von den Auswirkungen des 1. Weltkrieges und während der Inflation 1923 erhöhte sich die Produktion der Strumpfherstellung enorm. Die Auerbacher Strümpfe wurden in die ganze Welt exportiert. Auch die Entwicklung stand nicht still. Neue Materialien wurden eingesetzt, neue Technologien entwickelt, die Cottonmaschinen wurden technisch weiter verbessert und die Firmen in Auerbach vergrößerten sich nicht nur, es entstanden auch immer neue.

Inzwischen waren es 19 Betriebe, die in Auerbach Strümpfe herstellten. Obwohl die Weltwirtschaftskrise 1929 - 1932 auch in Auerbach ihre Spuren hinterließ, gab es kaum Arbeitslose und keiner dieser Betriebe mußte in Konkurs gehen.

Es folgte eine Hochkonjunktur in der Auerbacher Strumpfindustrie, die bis zum 2. Weltkrieg anhielt. Obwohl während des Krieges die großen Säle zur Herstellung von Flugzeugteilen umfunktioniert wurden, eine neue Produktionshalle für die Rüstungsindustrie gebaut wurde, kam die Strumpfproduktion nicht ganz zum Erliegen.

Nach Beendigung des 2. Weltkrieges arbeiteten viele Auerbacher mit Eifer an einem Neuaufbau der Strumpfindustrie, die eingelagerten Cottonmaschinen wurden wieder aufgestellt und am 1. Juni 1945 begann die erneute Produktion von Strümpfen. Allerdings mußten 109 Cottonmaschinen als Reparationsleistung in die UdSSR geliefert werden.

Im Jahre 1948 arbeiteten bereits 16 Betriebe wieder in der Strumpfherstellung. Der überwiegende Teil der Strümpfe musste wiederum als Reparationsleistung in die UdSSR abgeführt werden. Für die eigene Bevölkerung blieben Strümpfe Mangelware.

Die Firma ARWA wurde nach ihrer Enteignung (per Volksentscheid von 1946) umbenannt in Esda, "Erzgebirgische Spezialdamenstrümpfe Auerbach", und damit Stammhaus des neu gegründeten "Volkseigenen Betriebes".

Die inzwischen in Auerbach entstandenen "volkseigenen" Betriebe wurden zu den "Vereinten Feinstrumpfwerken Esda Auerbach" zusammengeschlossen und damit zum Kern des Strumpfkombinates Esda mit Sitz in Thalheim. Mit rund 14.000 Beschäftigten, darunter etwa 10 Prozent aus Auerbach, erlangte die Strumpfindustrie Auerbachs erneut Weltruf.

Im Jahre 1957/58 erfolgte die größte technische Veränderung seit den 80er Jahren des vorherigen Jahrhunderts in der Damenstrumpfherstellung, nämlich der Übergang zur Rundstricktechnik. Im Laufe dieser Entwicklung, die bis 1966 dauerte, wurden die Cottonmaschinen durch Rundstrickmaschinen abgelöst. Eine Produktionssteigerung auf 330 Prozent wurde damit erreicht.

Mit der Einführung der Strumpfhosenproduktion 1967 wurde wieder eine neue Epoche in der Damenstrumpfbekleidung eingeleitet und durch eine Reihe von Rationalisierungsmaßnahmen konnte die Produktion enorm gesteigert werden.

Der Zerfall des Ostblockes nach 1990, verbunden mit dem Wegfall der Sowjetunion als Hauptabnehmer, hatte für die Strumpfproduktion trotz technischen Höchststandes verheerende Folgen.

Sehr viel mehr nachzulesen ist im Buch "Auerbacher Strumpfchronik". Leider sind beide Auflagen zwischenzeitlich vergriffen.

Quelle: Heimatgeschichte - 550 Jahre Auerbach im Erzgebirge
Fotos: Ortschronik

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